Der Bauernkrieg 1525 | 500 Jahre Bauernkrieg: Das neue Standardwerk der preisgekrönten Autorin
676 Seiten, Hardcover
€ 37.1
-
+
Lieferung in 2-5 Werktagen

Bitte haben Sie einen Moment Geduld, wir legen Ihr Produkt in den Warenkorb.

Mehr Informationen
ISBN 9783103974751
Erscheinungsdatum 09.10.2024
Genre Sachbücher/Geschichte
Verlag S. FISCHER
Übersetzung Holger Fock, Sabine Müller
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
S. Fischer Verlag GmbH
produktsicherheit@fischerverlage.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
Kurzbeschreibung des Verlags


Der Bauernkrieg war die größte Massenbewegung Europas vor der Französischen Revolution. Lyndal Roper erweckt sie auf unnachahmliche Weise zum Leben. Was trieb die Menschen an, gegen ihre Herren aufzubegehren? Es ging um das, was uns auch heute antreibt: um Freiheit, Gerechtigkeit und ein gutes Leben.Und so zogen sie aus ihren Dörfern, kampierten auf offenem Feld, drangen in Klöster ein und labten sich am Wein, hörten den Predigten eines Thomas Müntzer zu und waren beseelt von der Vision eines neuen, eines gottgefälligen Reichs. Erfüllt von der Hitze der Reformation, folgten sie dennoch einem anderen Weg als dem Martin Luthers.Bei Lyndal Roper erfahren wir, wie die Menschen diesen Aufstand erlebten – und dass uns die Bauern mit ihrer Forderung, alle Menschen sollten über die Schöpfung (Feld, Wald und Vieh) verfügen, näher sind, als wir glauben. 


Mehr Informationen
ISBN 9783103974751
Erscheinungsdatum 09.10.2024
Genre Sachbücher/Geschichte
Verlag S. FISCHER
Übersetzung Holger Fock, Sabine Müller
LieferzeitLieferung in 2-5 Werktagen
HerstellerangabenAnzeigen
S. Fischer Verlag GmbH
produktsicherheit@fischerverlage.de
Unsere Prinzipien
  • ✔ kostenlose Lieferung innerhalb Österreichs ab € 35,–
  • ✔ über 1,5 Mio. Bücher, DVDs & CDs im Angebot
  • ✔ alle FALTER-Produkte und Abos, nur hier!
  • ✔ hohe Sicherheit durch SSL-Verschlüsselung (RSA 4096 bit)
  • ✔ keine Weitergabe personenbezogener Daten an Dritte
  • ✔ als 100% österreichisches Unternehmen liefern wir innerhalb Österreichs mit der Österreichischen Post
FALTER-Rezension

Der Frühling der Freiheit

in FALTER 15/2025 vom 11.04.2025 (S. 30)

Schneckenhäuser müssten die Bauern sammeln, damit Edeldamen ihr Garn darumwickeln könnten. Dies soll die Gräfin von Lupfen im Juni 1524, also mitten in der Erntezeit, den Bauern des Dorfes Stühlingen im Klettgau befohlen haben. Der Klettgau, eine Landschaft westlich des Bodensees, gilt als Wiege jenes Aufstands, der vor 500 Jahren das Heilige Römische Reich vom Elsass bis in die Obersteiermark erfasst hat.
Zehntausende Bauern griffen zu den Waffen, um eine bessere und gerechtere Welt zu erkämpfen. Zwischen Jänner und Juni 1525 schien es, als ob die Herrschaft der katholischen Kirche und des Adels wankte. Die Träume flogen hoch, und unter der Fahne mit dem Regenbogen, verstanden als Sinnbild der Verbindung von Gott und Mensch, sammelten sich in Mitteldeutschland die Aufständischen.

Herrschaft der Pfaffen

Im Juni aber war der Aufbruch in weiten Teilen Deutschlands von den Söldnerheeren des Adels gewaltsam niedergeschlagen worden. Dafür brach er im Juli dort los, wo die Bauern sich noch ruhig verhalten hatten, in Tirol, in Salzburg, Teilen Oberösterreichs und der Obersteiermark. Während die Rebellen im Elsass, im Allgäu, in der Pfalz und in Thüringen vernichtend geschlagen wurden, errangen sie ihren wichtigsten Sieg über Adelstruppen am 3. Juli 1525 in Schladming.

Warum entstand dieser Flächenbrand? Um 1500 veränderte sich für die Bevölkerung des Heiligen Römischen Reiches die Welt rasant. Das Imperium war in hunderte größere und kleinere Herrschaften zersplittert, und besonders der Südwesten war von dieser Kleinteiligkeit betroffen. Hinzu kam, dass oft mehrere Herren im selben Dorf Abgaben einzogen oder Recht sprachen. Viele versuchten daher, die Verwaltung zu vereinheitlichen.

Diese Verdichtung der Macht bedeutete für die Bauern, dass immer mehr Juristen und Beamte tief in ihre Dorfgemeinden eingriffen und neue Steuern geschaffen wurden, mit denen der wachsende Staatsapparat bezahlt wurde. Steuerdruck und der Verlust alter Rechte, ein immer übergriffiger vorgehender Staat allein aber lösten den großen Aufstand nicht aus. Er brach auch nicht wegen einer akuten Wirtschaftskrise aus, nicht wegen Hunger oder Verelendung.

Vielmehr waren die Bauern regelrecht elektrisiert von einer religiösen Revolution -der Reformation, wie sie Martin Luther in Wittenberg und Ulrich Zwingli in Zürich verkündeten.

Den Bauern waren die Vorrechte der katholischen Kirche verhasst, die in Gestalt von Klöstern und geistlichen Herrschaften drückende Abgaben erhob. Sie verstanden nicht, warum dieses Geld nicht in ihrer Gemeinde verwendet wurde, sondern für Prunkbauten in Rom und das üppige Leben von Mönchen und Nonnen, die nach Meinung vieler Bauern der Gesellschaft keinen Nutzen brachten.

Die Reformation zeigte nicht nur, dass eine ausbeuterische Kirche gestürzt werden konnte, sie verhieß auch Freiheit. Die Ideen der Reformation verbreiteten sich durch den Buchdruck rasend schnell. Ohne diese Medienrevolution, mit dem Aufkommen des Internets vergleichbar, wäre es nicht möglich gewesen, dass in Wirtshäusern, in den beliebten Badestuben, aber auch zuhause Flugblätter gelesen und diskutiert wurden.

Wie die Gesellschaft neu gestaltet werden könnte, nämlich im Sinne des Evangeliums, das in deutscher Sprache zugänglich war, das bewegte nicht mehr nur gelehrte Eliten. Breite Bevölkerungsschichten, insbesondere wohlhabende Bauern, erhoben ihre Stimme. Die Grundlage ihres Denkens und Handelns bildete die Bibel, die Dorfgemeinde den Rahmen einer Solidarund Rechtsgemeinschaft. Das politische Denken der Bauern verlief von unten nach oben, ganz anders als die Versuche der Herren, zentralistische Verwaltungen aufzubauen.

Nachdem schon im Spätherbst 1524 am Hochrhein Unruhen ausgebrochen waren, gewann die Bewegung im Jänner 1525 an Schwung, zuerst im Allgäu, dann im Gebiet nördlich des Bodensees, in Württemberg, und im April loderte der Aufstand von den Landgebieten der Schweizer Kantone bis hinauf nach Thüringen und Sachsen.

Die Bauern besaßen keine einheitliche Führung, sie erhoben sich in ihren Gemeinden und bildeten eigene Armeen, die sie "Haufen" nannten. Denn sie waren verpflichtet, sich an der Landesverteidigung zu beteiligen; daher hatten viele Waffen und sogar Harnische zuhause. Erste Gruppen taten sich zusammen und zogen unter dem Klang von Trommeln und Pfeifen durch Nachbardörfer, die sich freiwillig, manchmal aber auch unter Druck anschlossen.

Die Bauern wählten Anführer und gaben sich eine militärische Organisation. Rasch rückten sie in die Nähe von Städten vor, wo es Sympathisanten gab - viele evangelische Pfarrer und Handwerker, in der Obersteiermark auch Bergleute, erhofften ebenfalls eine grundlegende Reform von Gesellschaft und Staat. Demgegenüber zeigten sich die alten Stadtregierungen, vielerorts Patrizier, Großkaufleute und reiche Handwerker, zurückhaltend bis offen feindselig.

Die Entwicklung des Aufstands hing so stark von örtlichen und regionalen Gegebenheiten ab, dass es nicht möglich ist, den Bauernkrieg auf einen einfachen Nenner zu bringen. Überall aber war er geprägt von Abneigung gegen die katholische Kirche und besonders die Klöster. Die Bauernhaufen griffen Klöster an und leerten die Vorratskeller, die sie mit ihren Abgaben gefüllt hatten. Der Bauernkrieg war so auch ein großes Fest der Freiheit.

Gleichzeitig wurden viele Burgen und Schlösser gestürmt und als Symbole der Adelsmacht niedergebrannt. Dagegen übten die Bauern kaum Gewalt gegen Menschen aus; katholische Geistliche wurden zwar verhöhnt, ebenso Adlige. Doch zu Massenmorden an den Eliten kam es nirgends.

Nur in Weinsberg, nördlich von Stuttgart, wurden einige Adlige durch die Spieße gejagt, d.h., sie mussten durch ein Spalier bewaffneter Bauern laufen, die auf sie einschlugen; dieser brutale Gewaltakt jagte Schockwellen durch den deutschen Adel und wurde medial aufgebauscht. Die Aristokratie meinte, ein allgemeiner blutiger Umsturz stünde bevor.

Dabei waren die Forderungen und meist auch das Vorgehen der Bauern gemäßigt. Ihnen ging es um konkrete Verbesserungen, über die sie verhandeln wollten. Und diese betrafen Abgaben, die als ungerecht empfunden wurden, wie den Todfall, eine Form der Erbschaftssteuer. Oder Beschränkungen der Partnerwahl, denen Leibeigene unterworfen wurden -heiratete eine freie Person eine leibeigene Person, sank Erstere in Leibeigenschaft ab, und auch die Kinder wurden unfrei.

Dass Adlige und Kirche Wälder, Weiden, Gewässer, Fischerei und Jagd an sich gerissen hatten, empfanden viele Menschen als empörend - sie beriefen sich auf göttliches Recht, wonach die Gaben der Schöpfung allen zustanden. Die Bauern waren aber bereit, weiterhin Steuer zu zahlen und die Obrigkeit anzuerkennen.

Biblische Revolte

Es ging ihnen zu Beginn des Aufstands nicht um eine Revolution. Vielmehr versuchten sie, das Verhältnis von Herrschenden und Beherrschten neu zu regeln.

Der Bauernkrieg gehört zu den größten Erhebungen in Europa vor der Französischen Revolution von 1789, und zwar auf der Grundlage der Bibel -übersetzt in unsere postchristliche Welt könnte man sagen, dass die Bauern Staat und Gesellschaft auf ein ethisches Wertesystem aufbauen wollten.

Die Führer der süddeutschen Bauern fassten die Forderungen in einer Programmschrift zusammen, den Zwölf Artikeln, die im März 1525 in Memmingen von einem Bauernparlament beschlossen wurden. Die Artikel gingen sofort in Druck. Rund 25.000 Exemplare fanden reißenden Absatz im ganzen Reich; und selbst wer sie nie gelesen oder vorgelesen bekommen hatte, wusste von ihnen.

Dass die Bauern die Reformation ernst nahmen und selbst tief religiös dachten, zeigt schon der erste Artikel: Dieser forderte die freie Wahl der Pfarrer und verpflichtete diese, ihre Predigt nur nach dem Evangelium auszurichten. Genau das aber war die Grundidee der Reformation. Gottes Wort sahen die Bauern als Richtschnur bei der Lösung ihrer Probleme, und sie waren auch bereit, auf Forderungen zu verzichten, wenn sie durch die Bibel widerlegt würden.

Im April und Mai 1525 erreichten die Bauernhaufen eine solche Wucht, dass einzelne Landesherren nachgeben und in Verhandlungen eintreten mussten. Vereinzelt, wie in der südbadischen Ortenau, gelang es, die Konflikte ohne Blutvergießen in Abkommen zu lösen. Doch viele Landesherren spielten auf Zeit.

Der Schwäbische Bund, ein Zusammenschluss von Adel und Städten in Südwestdeutschland, sammelte Truppen, ebenso Landgraf Philipp von Hessen. Der Feldherr des Schwäbischen Bundes, Jörg Truchsess von Waldburg, ging mit äußerster Brutalität gegen die Bauern vor, der "Bauernjörg" brannte Dörfer nieder, gehängte Bauern säumten seine Wege. Die Repression war grausig; Bauernführern wurden die Augen ausgestochen und die Schwurfinger abgehackt. Die Mörder der Adligen in Weinsberg wurden bei lebendigem Leibe besonders langsam verbrannt.

Gegen die Söldnerheere des Adels hatten die Bauernverbände in offener Schlacht kaum eine Chance. Es fehlte an Reiterei, an eingeübten Kommandostrukturen, und viele Bauern liefen beim ersten Angriff davon - hier erwies es sich als fatal, dass Bauernhaufen ganze Dörfer unter Druck gesetzt hatten, sich ihnen anzuschließen.

Die Schlachten endeten in Massakern, am schlimmsten hausten im Elsass Truppen aus Lothringen, die kein Deutsch sprachen und mit denen sich die Elsässer nicht verständigen konnten. Zwischen 16.000 und 22.000 Bauern wurden an einem Tag in Zabern niedergemetzelt; tausende verloren bei anderen Schlachten ihr Leben. Die Adelstruppen wüteten derart, dass wohl rund 75.000 Menschen umgebracht wurden.

Götz von Berlichingen

Die Gewalt der Adligen radikalisierte viele ursprünglich gemäßigte Bauern. In einer ersten Phase traten angesehene und erfahrene Bauern an die Spitze der Bewegung; diese Männer verfügten über Wohlstand und auch Bildung. Auch Bürgermeister kleinerer Städte übernahmen Führungsaufgaben.

Als der militärische Druck der Herrschenden stieg, bedrängten die Bauern kriegserfahrene Adlige, das Kommando über ihre Haufen zu übernehmen. Zu ihnen gehörte Götz von Berlichingen, der Ritter mit der eisernen Faust -er war berühmt für seine Prothese. Götz setzte sich rechtzeitig von den Bauern ab und überlebte.

Anders liegt der Fall von Florian Geyer, einem Ritter, der die Bauern umsichtig anführte und durch Mord sein Leben verlor. Zu den großen Gestalten des Bauernkriegs gehören auch Vordenker wie Christoph Schappeler und Sebastian Lotzer, die die Zwölf Artikel entworfen hatten, oder der Bauernkanzler Wendel Hipler.

Am bekanntesten aber ist Thomas Müntzer, ein radikaler Reformator und apokalyptischer Prediger, der die Stadt Mühlhausen in Thüringen zeitweise kontrollierte und seine Anhänger in eine militärische Katastrophe führte - noch heute wird der Fluchtweg der besiegten Bauern im thüringischen Frankenhausen "Blutrinne" genannt.

Das am klarsten ausformulierte politische Programm entwarf der Tiroler Bauernführer Michael Gaismair, der im Graubündner Exil das dortige politische System kennengelernt hatte. Radikalisiert durch habsburgische Repression, entwarf er den Plan einer Tiroler Alpenrepublik, die auf den Ideen der Reformation beruhte.

Der Staat ist auf dem Evangelium aufgebaut. Standesunterschiede verschwinden. Die Menschen sind gleich. Die Regierung wird vom Volk gewählt. Klöster werden zu Spitälern. Die Burgen des Adels werden abgerissen. Der Staat kümmert sich um die Armen. Der Frühkapitalismus in Gestalt von Kaufleuten wird verboten.

Ein so radikales Programm hatte wenig Aussicht auf Erfolg. Die Habsburger aber waren so aufgeschreckt, dass sie Gaismair mit allen Mitteln beseitigen wollten. Er fiel 1532 an seinem Zufluchtsort Padua einem Attentat zum Opfer.

Luthers Albtraum

Schon die Zeitgenossen waren sich im Urteil über den Bauernaufstand nicht einig. Martin Luther, der fürchtete, die Repression würde auch die Reformation in den Abgrund stürzen, distanzierte sich in wütenden Schriften von den "mörderischen Rotten" der Bauern.

Doch erst im 19. Jahrhundert begann die Debatte darüber, was der Aufstand bedeutete. Niemand Geringerer als Friedrich Engels, ein Vordenker des Kommunismus, veröffentlichte 1850 eine Geschichte des Bauernkriegs -für ihn handelte es sich um eine "frühbürgerliche Revolution". Damit setzte Engels den Ton für die kommunistische Deutung des Geschehens, die in der DDR staatliche Weihen erhielt.

Die DDR sah sich als Vollenderin der Bauernrevolutionäre von 1525. Um den nach seiner Niederlage hingerichteten Thomas Müntzer als Revolutionsmärtyrer wurde ein Kult getrieben. Am Ort seines Untergangs, in Frankenhausen, verwirklichte der Staatskünstler Werner Tübke auf nicht weniger als 1722 Quadratmetern ein Bauernkriegspanorama.

Rote und braune Bauern

Der Bauernkrieg aber war auch vom Nationalsozialismus vereinnahmt worden, der deutsches Volkstum und Bauernwesen im Aufstand in Reinkultur verwirklicht sah und zudem die katholische Kirche bekämpfte. Bauernführer wie Florian Geyer oder Michael Gaismair wurden in beiden deutschen Diktaturen verehrt.

Als 1975 das 450-jährige Jubiläum des Bauernkriegs begangen wurde, entstand in der alten Bundesrepublik eine weitere Deutung. Ein "Aufstand des gemeinen Mannes" sei es gewesen, also nicht nur der Bauern, sondern von allen Nichtadligen, die sich in Gemeinden und Bauernparlamenten verfassungsartige Strukturen gegeben hätten.

Die Deutschen seien nicht immer ein Volk von Untertanen gewesen, sie hätten eine eigene Tradition demokratischer Revolution. Diese nicht marxistische und auch nicht nationalistische Deutung sollte das demokratische Denken in Westdeutschland stärken und den Bauernkrieg nicht den Ideologen der DDR überlassen.

Jene Bücher, die heuer zum 500-Jahr-Jubiläum erschienen sind, stehen dieser Deutung eher skeptisch gegenüber. Und auch die modernen Staaten, auf deren Gebiet Zehntausende für Freiheit und Evangelium stritten, wissen mit dem Jahr 1525 nur wenig anzufangen. Dabei klingen über Jahrhunderte die Stimmen jener Menschen zu uns, die fundamentale Ideen in die Welt setzten. Was die Bauern in ihrer Begeisterung im Frühling vor 500 Jahren erhofften, steht heute auf dem Spiel. Denn den Bauern ging es darum, was jede demokratische Gesellschaft ausmacht: Freiheit und Recht.

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

weiterlesen

Wo war denn da der Edelmann?

Alfred Pfoser in FALTER 42/2024 vom 18.10.2024 (S. 41)

Vor 500 Jahren endete der große deutsche Bauernkrieg. Heuer und im nächsten Jahr wird der Freiheitsbewegung und ihrer blutigen Niederlagen gedacht. Zum Jubiläum erscheinen Bücher, und Ausstellungen, darunter in Bayern, Baden-Württemberg, Thüringen und Südtirol, sind bereits offen oder öffnen demnächst. Sie versuchen darzustellen, was wo passierte, und loten aus, was die Ursachen für diese bewegten Monate waren, als die alte feudale Ordnung wankte. Es ging vor einem halben Jahrtausend nicht nur um die Rücknahme ausbeuterischer Praktiken, sondern auch um Grundsätzliches: Erstmals wurden universelle Freiheitsrechte gefordert und eine allgemeine Gleichheit der Menschen postuliert. In großen Manifesten wurden kommunistische Utopien nach biblischem Vorbild entworfen: „Als Adam grub und Eva spann, wo war denn da der Edelmann?“

Dabei waren Bauernkriege keine deutsche Spezialität. Bauernaufstände gab es vom 14. bis ins 19. Jahrhundert im gesamten Habsburgerreich (wie Wolfgang Maderthaner in seinem kürzlich erschienenen Buch „Zeitenbrüche“ dargestellt hat), auch in Frankreich, England, Russland und Sizilien. Der deutsche Bauernkrieg um 1524/25 war aber der größte Volksaufstand in Europa vor der Französischen Revolution: Hunderttausende Menschen waren involviert.

Seinen Ausgang nahm er in Südwestdeutschland. Dort lösten im Juni 1524 Schikanen kleinere Aufstände aus, die sich schnell zu einem Flächenbrand entwickelten. Zunächst setzten die Bauern bei ihren Aktionen auf Einsicht durch die adeligen Herrscher, stimmten Kompromissen zu, vertrauten den Versprechungen der Verhandler. Aber innerhalb weniger Monate radikalisierten sich beide Seiten und verschärften die Gangart. Die Herrscher, ob evangelisch oder katholisch, mobilisierten Söldnerheere; dem Aufstand folgten spektakuläre Hinrichtungen, brutaler Terror und unbarmherzige Verfolgung. Im Mai 1525 endeten drei Entscheidungsschlachten im Elsaß, in Württemberg und Thüringen in Gemetzeln mit zehntausenden Toten. Der Funke des Aufbegehrens sprang spät auch nach Österreich über, in Tirol gab es ab Anfang Mai 1525 Widerstand unter dem visionären Bauernführer Michael Gaismair. Ende Mai 1525 fügten Bauern und Bergknappen einem Adelsheer bei Schladming eine schwere Niederlage zu; im ganzen Land Salzburg herrschte Revolution.

Die Übersicht zu bewahren, ist nicht leicht: Wo gab es Unruhen und wo überall wurde gekämpft? Aus welchen sozialen Gruppen kamen die Rebellen? Wie weit verbündeten sich die Bauern mit dem Bürgertum in den damals aufblühenden Städten und den Bergknappen? Welche Ziele verfolgten die Aufstände? Gerd Schwerhoff hat viele Jahre über die Frühe Neuzeit geforscht; sein Buch („Der Bauernkrieg“, C. H. Beck) fügt ereignisgeschichtliche Regionalstudien zum großen Panorama zusammen. Bezeichnenderweise fällt es ihm aber schwer, über die Widersprüchlichkeit der aufbegehrenden „Haufen“ eine einheitliche Deutung zu spannen.

Leichter hat es da die flott geschriebene Einführung des Wissenschaftsjournalisten Christian Pantle („Der Bauernkrieg“, Propyläen): Sie bietet keine neue Forschung, sondern hat „bloß“ den Anspruch, die vorhandene Literatur zusammenzufassen, das Geschehen auf die großen Ereignisse herunterzubrechen und die wichtigsten handelnden Personen in Porträts der Heerführer, Ideologen und adeligen Gegenspieler vorzustellen.

Etwas anders geht es die australische Luther-Biografin Lyndal Roper mit ihrem Buch („Für die Freiheit“, S. Fischer) an, indem sie viele neue Fragen einführt: etwa nach der Rolle der Frauen, die auf den Höfen die Männer ersetzen mussten. Nicht verschlechterte wirtschaftliche Umstände hätten die Bauern dazu gebracht, sich zu erheben – vielmehr habe Martin Luthers aufrüttelnde Botschaft von der „Freiheit eines Christenmenschen“ in einer Epoche großer Veränderungen revolutionär gewirkt. Der neue Blick auf die Schöpfung und der Glaube an einen göttlichen Auftrag, das Christentum in Brüderlichkeit zu leben, veränderte radikal die Mentalitäten: Es war also die Theologie der Bauern, die der angeblichen Gottgegebenheit der feudalen Herrschaft ein Ende setzte.

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

weiterlesen