

Auch mit 89 noch ziemlich fleißig, v.a. in Kapitel 32
Klaus Nüchtern in FALTER 4/2017 vom 27.01.2017 (S. 28)
Vielleicht liegt’s ja am Sternzeichen: Philip Roth ist grad noch Fisch, Martin Walser schon Widder. Aber während sich der Homer von Newark mit juvenilen 79 selbst pensioniert hat, veröffentlicht der große Sohn Wasserburgs, als gäb’s kein Morgen (womit man mit 89 ja auch irgendwie rechnen muss).
Walsers jüngstes Opus weist den Anspruch auf die Bedeutsamkeit eines Vermächtnisses schon im Titel von sich: „Statt etwas oder Der letzte Rank“ zeigt am Cover einen leeren Rahmen vor weißem Hintergrund. Es geht in diesem Buch, das angeblich ein Roman ist, aber schon um etwas – ums Davonkommen möglicherweise, bezeichnet doch „Rank“ laut dem Wörterbuch der Grimm-Bros. „die wendung, die der verfolgte nimmt, um dem verfolger zu entgehen“.
Von Verfolgern, Gegnern und Feinden hat das Erzähler-Ego – das eigentliche Thema! – allem Anschein nach genug, zumindest in der eigenen Fantasie, in der es sich stets herabgesetzt, ausgestochen, verkannt und zu Kompromissen gedrängt fühlt, denen er stets zu entsprechen trachtet. Den komischen Höhepunkt in diesem insgesamt ziemlich komischen Dokument unverdruckst-frohgemuter Altersradikalität erreicht das Match Held vs. Welt in dem mit 17 Seiten mit Abstand umfangreichsten Kapitel (Nr. 32), das sogar so etwas wie eine Story hat: In Konfrontation mit dem „Feuilletongewaltigen“ wird der Ich-Erzähler buchstäblich kleiner und fühlt sich obendrein auch noch ziemlich viereckig, wovon ihn eine bislang unbekannte Schwester Franz Kafkas aber zu erlösen weiß.
Die Auslassungen zum Thema „Ich und der Rest, besonders aber die Frauen“ könnten unerträglich eitel, larmoyant und peinlich sein, würde sich der Protagonist nicht so pfiffig und elegant gegen alle Eitelkeit wehren, vor allem jene des Bescheidwissens, die in Form von Theorien und Diskursen immer ein „Extra-Erlösungsversprechen“ bereithalten. Walsers Alter Ego indes gibt sich lieber umarmungswillig und wunderbereit, denn er weiß: „Das verständnislose Erleben einer Erfahrung macht die Erfahrung intensiv!“