

Der neue Handke ist ziemlich pfiffig: Meine Woche in Wald und Wirtshaus
Sebastian Fasthuber in FALTER 44/2023 vom 03.11.2023 (S. 29)
Streckenweise ein bisschen verstiegen, aber mit leichten Schritten: So liest sich das jüngste Buch von Peter Handke. Mit zahlreichen Verweisen auf frühere Werke ist "Die Ballade des letzten Gastes" für langjährige Adepten des Literaturnobelpreisträgers ein Fest, aber auch (Wieder-)Einsteiger werden gut bedient.
Es ist die Geschichte einer Heimkehr auf Zeit. Gregor (der Wächter), ein häufiger Name bei Handke, kehrt aus Übersee zurück in seine Heimatlandschaft. Einst eher ländlich geprägt, handelt es sich inzwischen um eine Agglomeration aus Kleinstädten und Industriezonen mit ein wenig Wald dazwischen.
Der Obstgarten der Familie ist in einem bemitleidenswerten Zustand. Rettung ausgeschlossen: Gregor fährt mit der Motorsäge durch. Bei seinem jährlichen Besuch hat er die Aufgabe, den Eltern und seiner Schwester, die gerade ein Baby bekommen hat, den Tod des kleinen Bruders in der Fremdenlegion zu verkünden. Er schiebt es bis zum letzten Moment hinaus.
Während die Seinen zuhause hocken, streift der leidenschaftliche Geher durch die Landschaft. Er verbringt eine Nacht im Wald, schläft in einer Straßenbahn und im hintersten Hinterzimmer eines Wirtshauses. Geht es zunächst um die Familiengeschichte, so löst sich die angedeutete Handlung auch schnell wieder auf.
Macht nichts. Die Sprache, der Sound und Handkes wache Beobachtungsgabe sind die Stars der Show. Manchmal verirren er und Gregor sich für ein paar Seiten, aber dann stehen da immer wieder Passagen von einer solchen Frische und Pfiffigkeit, als wäre der Autor in einen Jungbrunnen gefallen. Hier schwebt der Text ein paar Zentimeter über dem Boden. Das ist das Gegenteil von Altmännerprosa.
Obendrein wartet das Buch mit der lustigsten Babybeschimpfung der neueren Literaturgeschichte auf. Gregor zu seinem Taufkind: "Nach zehn Jahren Jauchewagen stinkender Däumling! (...) Klein Moses, schwimmend fern vom Nil in der eigenen Pisse! Furzkaspar! Mostbirnkopf! (...) Buchhalter! Hallodri mit dem weißen Verliererarsch!"