Brünner Erzählungen

216 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783992000012
Erscheinungsdatum 01.09.2009
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Braumüller Verlag
Übersetzung Johanna Posset
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Kurzbeschreibung des Verlags

„. das größte Ereignis der tschechischen Literatur nach 1989“
Milan Kundera über Jiří Kratochvil

In seinen Erzählungen voller Aberwitz und Ironie setzt Jiří Kratochvil seiner Heimatstadt Brünn ein literarisches Denkmal. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen in diesen raffiniert komponierten Geschichten über das Leben, die Liebe und den Tod, die oft in völlig unerwartete Wendungen und groteske Pointen münden. Die Protagonisten? – Ein Panoptikum schräger Typen, angesiedelt in den Jahrzehnten vor und nach dem Umbruchjahr 1989. Achtung, kann Lust auf eine Reise nach Brünn wecken!
Jiří Kratochvils Erzählungen verbinden sich in ihrer äußeren Kulisse, der Stadt Brünn, im Mittelpunkt aber stehen Menschen und ihre tragikomischen Schicksale. Ungewöhnliche Begebenheiten zeichnen die skurrilen Alltagsgeschichten aus: Personen und Orte wechseln ihre Identität, amouröse Abenteuer enden fatal, Frauen verführen Männer, die in ihre Eingeweide schlüpfen, ein Dichter erinnert sich an jedes Detail seines Lebens, tote Verwandte feiern bei Familienfesten mit, Traumgestalten greifen ins wahre Leben ein, Katzen nehmen die Wesenszüge ihres verstorbenen Herrn an, Stalin diktiert in Mausgestalt seine Memoiren, Selbstmörder kehren ins Leben zurück, Strizzis prügeln sich in der Vorstadt um Frauen, der Schriftsteller nimmt Einfluss auf seine eigene Vergangenheit und wird zu einer Mehrfachgestalt. In seinen Geschichten ist Jiří Kratochvil als Ich-Erzähler meist mit von der Partie. Er bricht festgefahrene Sichtweisen auf und entführt seine Leserschaft in eine Welt, in der die Peripetien der menschlichen Existenz mit ebenso viel Selbstironie und Aberwitz geschildert werden wie die Auswüchse der Konsumgesellschaft und totalitärer Ideologien.

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ISBN 9783992000012
Erscheinungsdatum 01.09.2009
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FALTER-Rezension

In der Jackentasche sitzt das tschechische Volk

Josef Gepp in FALTER 10/2010 vom 12.03.2010 (S. 16)

"Das Versprechen des Architekten" von Jiří Kratochvil ist eine grandiose Parabel über individuelle Schuld im Totalitarismus

Schuld ist eine komplexe Angelegenheit. Ganze Gesellschaften stecken in ihr wie in einem Sumpf – die einen bis zum Knöchel, die anderen bis zum Hals. Hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang rangen in den kommunistischen Diktaturen viele Menschen mit den Fragen: Wie viel Druck bin ich bereit zu ertragen, um sauber zu bleiben? Denunziere ich den Nachbarn, um der eigenen Familie Leid zu ersparen?

Diese Wucht der Schuldfrage kann wohl nur ermessen, wer selbst in einer totalitären Gesellschaft groß geworden ist. Wie der Schriftsteller Jirí Kratochvil, Jahrgang 1940. Kratochvil lebt in Moravský Krumlov, Mährisch-Kromau, nahe Brünn. Geprägt von der Intellektuellenszene im Brünner Untergrund wollte sich Kratochvil nicht mit dem System arrangieren. Als er nach dem Prager Frühling 1968 mit Publikationsverbot belegt wurde, verdingte er sich jahrzehntelang als Kranführer, Heizer oder Bibliothekar. Erst nach Wende wurde er – 1999 mit dem renommierten Jaroslav-Seifert-Literaturpreis ausgezeichnet – zu einem der bekanntesten tschechischen Schriftsteller.
Protagonist in Kratochvils großartigem neuem Roman "Das Versprechen des Architekten" – neben dem Erzählband "Brünner Erzählungen" soeben in deutscher Übersetzung erschienen – ist der Architekt Kamil Modràcˇek. Für die nazideutschen Besatzer errichtet er eine Villa in Form eines Hakenkreuzes, um seine Schwester aus dem Kerker der Gestapo zu befreien.
Der Deal klappt, doch nach dem Krieg wird Modràcˇek wegen des Hakenkreuz-Hauses vom kommunistischen Geheimdienst ŠtB verfolgt. Der Verweis auf die seinerzeitige Zwangslage nützt ihm nichts, schließlich spielt der Roman "in einem Land, wo einem Beschuldigten überhaupt keine Schuld nachgewiesen werden muss, sondern, im Gegenteil, er verpflichtet ist, seine Unschuld zu beweisen".
Die Staatssicherheit verhaftet die Schwester erneut, und Modràcˇek dient sich in seiner Not dem ŠtB an. Doch als die Schwester unter ungeklärten Umständen in der Haft stirbt, nimmt ihr Bruder, auf grausame ­Weise unverwundbar geworden, Rache.
All das beschreibt Kratochvil nicht etwa als Familienmelodram, sondern lakonisch, raffiniert, verspielt, und er entwirft dennoch ein vielschichtiges Bild seiner Protagonisten, ihrer Leidenschaften und Schwächen. Die Exkurse in die Kultur- und Stadthistorie lassen im Leser den Vorsatz reifen, Brünn – früher das "österreichische Manchester" genannt – ehebaldigst zu besuchen. Die zweite Romanhälfte ist absurd – auf eine postmoderne, parabelhafte Weise. Wieder fühlt man sich – in Erzählduktus und Handlung – an einen Film erinnert: Emir Kusturicas "Underground".
Nach dem Tod der Schwester findet Modràcˇek keinen ruhigen Moment mehr, empfindet Schuld. Da stößt er im Keller seines Zinshauses zufällig auf ein verborgenes Gewölbe, Teil eines teils unterirdischen mittelalterlichen Labyrinths. Modràcˇek entführt jenen ŠtB-Offizier, der den Tod der Schwester zu verantworten hat, und sperrt ihn in den Keller. Die Polizei kommt ihm auf die Schliche, aber der Rächer entführt und inhaftiert auch den ermittelnden Beamten. Und so weiter.

Am Ende leben 21 Menschen in besagtem Gewölbe. Das Umfeld ist nicht gewalttätiger als der überirdische Realsozialismus; Kinder werden geboren, Ärzte und Köche versorgen die Entführtenkolonie. Modràcˇek kombiniert seine Rachegelüste mit architektonischen Visionen und errichtet eine "horizontale unterirdischen Stadt", sein Lebenswerk. Es ist eine "autarke Welt mit allem Drum und Dran", ein "Modell einer künftigen, besseren Gesellschaft" (die freilich auf Gewalt basiert), aber auch "nur eine Tasche in der Gefängnisjacke des weit größeren Gefängnisses, in welches das ganze tschechische Volk geworfen ist".
Lange nach der Wende werden sich in einer Art Epilog zum Roman zwei zeitgenössische Brünner über Kamil Modràcˇek unterhalten: Er sei nicht so wie die ganzen "Keller­perversen", wie etwa "dieser Fritzl aus Österreich". Im Vergleich dazu, erzählen sich die beiden Brünner, sei der Architekt Modràcˇek geradezu "ein gutmütiger, alter Kerl" gewesen.

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

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