

So schlimm wird’s nicht, nur etwas schlechter
Sebastian Fasthuber in FALTER 49/2020 vom 02.12.2020 (S. 34)
Dieses Buch ist eine Mogelpackung. Die versprochenen „Neuen Interventionen“ von Michel Houellebecq sind zwischen 2003 und 2020 bereits verstreut in Zeitungen, Zeitschriften und Sammelbänden erschienen. Mehr als die Hälfte sind obendrein nicht Essays, sondern Gespräche, etwa mit seinem Kollegen Frédéric Beigbeder oder der Literaturwissenschaftlerin Agathe Novak-Lechevalier.
Trotzdem handelt es sich um eine anregende Lektüre. Themen sind die Gesellschaft, Religionen, Trump und der Tourismus. Der Band beginnt mit einem Lob des Konservativismus. Dieser könne „ebenso eine Quelle des Fortschritts sein, wie die Faulheit die Mutter der Effizienz ist“. Ein konservativer Mensch habe wenig Heroisches an sich, „doch er ist (…) ein sehr ungefährliches Individuum“. Beispielhaft wird ein englischer Lord erwähnt, der 1940 in einem Leserbrief an die Times vorschlug, den Zweiten Weltkrieg mit einem Kompromiss zu beenden.
Donald Trump hält Houellebecq für einen „haarsträubenden Clown“ und gleichzeitig für einen der besten Präsidenten, den die USA je hatten. Zumindest für den Rest der Welt: „Die Amerikaner lassen uns in Frieden.“ Und zum Thema Religionen: Obwohl er selbst nicht gläubig ist, wünscht er sich eine wieder erstarkte katholische Kirche, allein um die Macht des Islams zu beschränken.
Der aktuellste Text ist ein Brief, den Houellebecq im Mai 2020 angesichts der Corona-Krise geschrieben hat. Viel hält er nicht von dem Virus, das er „zugleich beängstigend und langweilig“ nennt. Wie wird es danach weitergehen?
„Zunächst einmal glaube ich keine halbe Sekunde an Aussagen wie ,Nichts wird je wieder wie vorher sein‘. Im Gegenteil, alles wird genau so bleiben, wie es war. (…) Wir werden nach der Ausgangssperre nicht in einer neuen Welt erwachen; es wird dieselbe sein, nur ein bisschen schlechter.“
Houellebecq präsentiert sich in dem Band wieder einmal von seiner philosophischen Seite. Die kurzen Texte sind zwar nicht besonders tiefgehend, dafür originell und für einen angeblichen Nihilisten überraschend launig.