Nachtsendung

Unheimliche Geschichten
288 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783100024879
Erscheinungsdatum 22.09.2016
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag S. FISCHER
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S. Fischer Verlag GmbH
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Kurzbeschreibung des Verlags


Kathrin Röggla erzählt von unserer Gegenwart. Unheimliche Szenen ereignen sich. Und wir sehen zu.

Die täglichen Bilder unserer Wirklichkeit gleichen Horrorszenen. Jemand ist dabei. Jemand sieht zu. Sind das wirklich wir? Kathrin Röggla schaut genau hin. Sie erzählt unheimliche Geschichten und entdeckt Risse, tote Winkel und das Unheimliche unserer Gegenwart. Gefahrenzonen breiten sich aus, es herrscht Desorientierung, Kommunikation bricht zusammen. Das betrifft das politische Reden, den wutbürgerlichen Aktivismus, den Absturz des Mittelstandes ebenso wie das Familientreffen in der deutschen Provinz. Sie entwirft politische, soziale und private Szenarien, die sich zu einem Nachtbild unserer gespenstischen Gegenwart zusammensetzen.


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ISBN 9783100024879
Erscheinungsdatum 22.09.2016
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FALTER-Rezension

Können sich jetzt bitte einmal alle fürchten?

Karin Cerny in FALTER 41/2016 vom 14.10.2016 (S. 12)

Kathrin Röggla spinnt unsere Gegenwart zeitdiagnostisch in eine Zukunft voll Paranoia und Blackouts weiter

Als am 11. September 2001 zwei Flugzeuge in die Türme des World Trade Centers krachten, war die Salzburger Autorin Kathrin Röggla, Jahrgang 1971, zufällig in New York. Ihr damals entstandenes Tagebuch „really ground zero“, das die Reaktionen auf die Terroranschläge von den Leuten auf der Straße bis zu den offiziellen Medienstimmen literarisch verdichtete, festigte ihren Ruf als Katastrophenspezialistin.
Es ist beinahe zum Markenzeichen der in Berlin lebenden Autorin geworden, dass ihre theoriegesättigten Romane und Stücke weitgehend auf individuelle Psychologisierung verzichten. Röggla hat stets etwas Größeres im Blick: ein Psychogramm unserer Gesellschaft. Sie ist Expertin für das Vage, für jene schwer zu fassenden Stimmungen, die sich zur Paranoia hochschrauben; für all die kleinen Verunsicherungen, die in Verschwörungstheorien kulminieren, und die diffusen Befindlichkeiten, die sich oft nur in Nebensätzen ausdrücken und trotzdem ein Muster der Wirklichkeit aufscheinen lassen.
In den folgenden Jahren schrieb Röggla Romane über den Aberwitz der New Economy anhand von sechs überforderten IT-Arbeitern („wir schlafen nicht“, 2004) oder spielte Szenarien darüber durch, wie eine Welt im Ausnahmezustand denn aussehen könnte, zwischen Hamsterkäufen und völligem Realitätsverlust, den eine Ich-Erzählerin im Konjunktiv durchdeklinierte („die alarmbereiten“, 2010). In guter österreichischer Tradition werden ihre durchaus spröden Texten sprachlich überhöht, in die Groteske getrieben.

In ihrem jüngsten Buch „Nachtsendung“ bleibt Röggla ihrem literarischen Prinzip der polyphonen Gegenwartserkundung weitgehend treu, hat sich allerdings von der radikalen Kleinschreibung verabschiedet. Der Untertitel „Unheimliche Geschichten“ wird gleich im ersten Text erklärt: Ein Gruppe von Menschen wartet schon länger in einem Flugzeug auf den Abflug, ohne die Ursache für die Verzögerung zu kennen. Vielleicht, so meint die Erzählerin, sei das der Moment, miteinander zu kommunizieren. Das Buch, das aus Kurzgeschichten besteht, die lose bis gar nicht zusammenhängen, ist also eine Art Sprechen gegen die Ängste der Gegenwart. Wer redet, das wissen wir bereits aus Kinderbüchern, besiegt die Geister, die unter dem Bett lauern. Insofern lässt sich „Nachtsendung“ als Geisterbeschwörung und Geisterbannung in einem verstehen.

Einige der Figuren haben ein Blackout erlitten, ihnen fehlen die Erinnerungen an Stunden oder Tage. Sie versuchen, die verlorene Zeit zu rekonstruieren, stehen, wie es im Buch heißt, unter „permanentem Lückenschlusszwang“. Anscheinend ist dieser Zustand fast schon zu einer Art Volkskrankheit geworden.
Die Menschen in den Büros versuchen, anhand ihrer eigenen Mails Erinnerungslücken zu füllen, den Normalzustand wiederherzustellen. „Fortsetzungsversuche“ heißt das bei Röggla: Etwas ist passiert, man weiß zwar oft gar nicht, was, aber man nimmt den Faden wieder auf. Weitermachen lautet die Parole, und alle setzen ihr „Reset-Gesicht“ auf.
Der postapokalyptische Ton in Rögglas Erzählungen erinnert an TV-Serien wie „The Leftovers“, in der auf einen Schlag zwei Prozent der Weltbevölkerung einfach verschwinden und die Übriggebliebenen versuchen, ins normale Leben zurückzufinden, was freilich nicht so recht klappen will. Bei Röggla taucht zudem das in der Romantik beliebte Motiv des unheimlichen Doppelgängers auf: „Vielleicht aber, spekulierte jetzt Herrfurth, hatte es Verdopplungen gegeben, und vielleicht war er eine dieser Verdopplungen und saß noch in einer zweiten Version oben im Büro?“
Nach und nach zeigen sich die Umrisse der Welt, in der die Geschichten spielen, wobei man allerdings nie genau weiß, ob es diese objektiv oder bloß aus der paranoiden Sicht der handelnden Figuren beschrieben wird: „es herrschte ja quasi Ausnahmezustand“.
Von Panikkäufen im „Raum Bismarck“ ist die Rede, von Heiligenerscheinungen im „Raum Schinkel“, von Reichsbürgern, die in Sachsen einen Privatstaat aufbauen wollen. Manche der Erzählungen muten recht realistisch an, andere wieder surreal oder komisch, etwa wenn von einem Berliner Cafébetreiber die Rede ist, der für seine nervigen Bobo-Kunden ein Absolutionsgeschäft betreibt.
Es gibt Schweigeminuten für Opfer, scheinbar nehmen Amokläufe zu, auf einem Klassentreffen erkennt jemand keinen einzigen der ehemaligen Mitschüler wieder. Und dann sind da noch überbehütete Kinderspielplätze: „Mir scheint, drei Erwachsene kommen auf ein Kind.“ In einem Ressort werden Leichen von Bootsflüchtlingen angeschwemmt, und die Menschen fragen sich prinzipiell, inwieweit die Medien die Wirklichkeit noch erfassen können: „Wieder hatte man den wirtschaftlichen Zusammenbruch einiger Länder, darunter quasi Nachbarländer, nicht mitgekriegt, und jetzt entfaltet sich dort eine politische Katastrophe, die uns demnächst erreichen wird.“

„Nachtsendung“ liest sich wie eine in die nahe Zukunft verlegte verheerende Zeitdiagnose: Es herrscht akuter Realitätsverlust, kollektive Amnesie, weltweite Hysterie. Die Postdemokratie und der globale Finanzkapitalismus haben uns zu Untoten gemacht, jeder existiert nur noch in seiner eigenen Paranoia-Blase. Das ist klug gedacht, ufert allerdings auch aus. Das Hauptproblem aber ist, dass das ständig herbeizitierte Unheimliche aber nur selten wirklich abgründig wird. Das Meta-Gruseln lässt einen ziemlich kalt, es fehlt einfach der Suspense – und vielleicht auch die Psychologie. Klar, dass am Ende das Flugzeug dann doch startet – als ob nichts gewesen wäre.

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Über die Autorin

Kathrin Röggla wurde 1971 in Salzburg geboren und lebt in Berlin. Sie begann ein Studium der Germanistik und Publizistik, welches sie 1999 abbrach. Ihre ersten Bücher sowie Kurzprosa entstanden bereits 1992. Seit 1998 entwickelt die Autorin Radiostücke, seit 2002 Theatertexte. Für ihre Arbeiten wurde Röggla vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Preis der SWR-Bestenliste, dem Bruno-Kreisky-Preis für das politische Buch, dem Anton-Wildgans-Preis und dem österreichischen Kunstpreis für Literatur. Seit 2020 unterrichtet sie Literarisches Schreiben an der KHM Köln. In ihren Werken betrachtet Röggla gesellschaftliche, politische und ästhetische Fragestellungen, etwa in "Abrauschen", "die alarmbereiten" und "publikumsberatung". Zuletzt erschienen die Bücher "Nachtsendung", "Die falsche Frage" und der Theatertext "fake reports II".

Alle Bücher von Kathrin Röggla