Wien 1914

Alltag am Rande des Abgrunds
300 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783205794653
Erscheinungsdatum 08.08.2013
Genre Geschichte/Neuzeit bis 1918
Verlag Böhlau Wien
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Brill Deutschland GmbH
Wollmarktstr. 115 | DE-33098 Paderborn
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Kurzbeschreibung des Verlags

Der Historiker und Publizist Edgard Haider nimmt den Leser mit in das Wien des Jahres 1914, auf Bälle und Feste, ins Theater, auf Straßen und Plätze, in Wohnhäuser und Paläste – in eine Stadt, deren Bewohner nicht wahrhaben wollen, dass auch Wien kurz vor dem Abgrund steht. Im Bewusstsein geblieben ist die verblüffende Euphorie über den Ausbruch des Krieges im Sommer, doch was sonst geschah in diesem Schicksalsjahr ist weitgehend vergessen. Haider hat zahlreiche Dokumente zusammengetragen, die einen Blick in die Welt vor hundert Jahren offenbaren. Prophetisch wirkende Analysen der politischen Lage, die eine neue Ordnung erahnen lassen, sind hier ebenso zu lesen wie grobe Fehleinschätzungen. Die Spurensuche führt zu heute skurril anmutenden Bräuchen und Moden, bringt aber auch überraschend Modernes zutage. Ein Tanz auf dem Vulkan, dessen Ausbruch wie eine lang ersehnte Erlösung bejubelt wird, in Wahrheit aber der Anfang vom Ende der alten Welt ist.

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FALTER-Rezension

Ging der Erste Weltkrieg von Wien aus?

Alfred Pfoser in FALTER 41/2013 vom 11.10.2013 (S. 45)

Geschichte: Fünf neue Bücher zeichnen ein komplexes Bild der Rolle Österreich-Ungarns im Ersten Weltkrieg

Es kommt nicht oft vor, dass zeitgeschichtliche Bücher österreichischer Historiker aus jüngster Zeit hoch begehrt sind und beste Preise in den Antiquariaten erzielen. Trotzdem ist das mit Manfried Rauchensteiners Buch "Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg" lange Zeit passiert.
1993 bei Styria erstmals erschienen, war es jahrelang vergriffen. Das Werk des früheren Direktors des Heeresgeschichtlichen Museums war das Ergebnis einer jahrzehntelangen Beschäftigung und ein gut lesbares Standardwerk mit anregenden Details; Militär-, Politik- und Gesellschaftsgeschichte in einer kompakten Komposition.

Von Hader zu Hass
Jetzt gibt es bei Böhlau eine gründlich revidierte und erweiterte Neuauflage. Eigentlich ein mutiges Unterfangen, denn 20 Jahre Forschung haben neue Themen in den Vordergrund gerückt und andere Bewertungen produziert. Rauchensteiner hat das Dilemma in "Der Erste Weltkrieg und das Ende der Habsburgermonarchie 1914–1918" so gelöst, dass er lange Strecken fast unverändert übernommen, Fehler beseitigt und neue Kapitel und Textteile eingeschoben hat. Das Ergebnis: Bei diesem Überblick ist man noch immer sehr gut aufgehoben.
Wer kürzere, theoretische oder weniger detailreiche Schneisen durch das komplexe Geschehen erwartet, muss sich aber auf andere Autoren stützen. Wer eine radikalere Sicht auf die "Blutpumpe" des von Wien angezettelten Krieges haben möchte, für den ist eine Erstauskunft bei Karl Kraus darüber, wie dieser Krieg abgelaufen und was von ihm zu halten ist, noch immer unübertroffen – nachzulesen etwa in der gelungenen Kombination von Kraus-Texten und Fotos in dem von Anton Holzer herausgegebenen Bildband "Die letzten Tage der Menschheit".
Zu Recht betont Rauchensteiner, dass die nostalgische Memorierung der Habsburgermonarchie als Vorläufer der Europäischen Union ziemlich falsch liegt. Denn bei Ersterer ist der Auflösungsprozess unübersehbar. Der Weltkrieg, von dem sich Kaiser und Regierung eine Beseitigung nationaler Probleme erwarteten, erwies sich als deren fataler Beschleuniger.
Vor dem Krieg artikulierten sich im österreichischen Parlament unter den Volksvertretern Befremden, Misstrauen und Obstruktion. Während des Krieges entwickelte sich der Hader zu veritablem Hass, zuerst gegen die Serben, Italiener und Ruthenen als "innere Feinde", später dann gegen die Juden als "Kriegsgewinnler", gegen die Tschechen als "Hochverräter", gegen die Ungarn als egoistische "Schweinemagnaten" usw.
Den Völkern des Habsburgerreichs blieben nach dem Ausgleich mit Ungarn 1867 ohnehin nicht viele Gemeinsamkeiten. Eine solche Klammer, sicherlich die wichtigste, war die k.u.k. Armee. Rauchensteiner skizziert plastisch die inneren Spannungszustände und Auflösungserscheinungen der Armee mit mehr als acht Millionen Soldaten.

Kriegszitterer und Medaillen
Nach den herben Verlusten im Herbst 1914 gab es bei den Generälen massenweise Absetzungen, Rücktritte und Selbstmorde, über die nicht geredet werden durfte. Eine Million Soldaten kamen um, fast zwei Millionen kehrten verwundet heim, mussten vielfach als Invalide ein kärgliches Leben fristen, ihre Leiden wurden missachtet und kleingeredet, "Kriegszitterer" galten als Tachinierer.
Mit Dekorationen ging dagegen der Kaiser großzügig um, vier Millionen Tapferkeitsmedaillen wurden verliehen. Seit den Karpatenschlachten 1914/15 war der nationalistische Bazillus des Misstrauens auch ins Heer eingedrungen, Stand- und Feldgerichte wüteten gegen Desertionen und Selbstbeschädigungen, bis im Sommer 1918 der zuerst schleichende Erosionsprozess zu einem offenen wurde.
Rauchensteiner diskutiert unter diesem Vorzeichen die hohe Zahl der über zwei Millionen Soldaten, die in vor allem russische Kriegsgefangenschaft gerieten. Bei der deutschen Armee gab es sowohl an der Ost- wie an der Westfront weit weniger Verluste.
Ein düsteres Kapitel ist das Schicksal der Internierten, die auf Verdacht als "unzuverlässige Elemente" behandelt und in Internierungslagern und Konfinierungsstationen festgesetzt wurden. Hinzu kamen die insgesamt 550.000 meist mittellosen Flüchtlinge und "Zwangsevakuierten" aus den Frontgebieten, die in dem vom Krieg verschonten deutschsprachigen Zentralraum oft als lästige Esser, störende Fremdlinge oder "potenzielle Seuchenherde" behandelt wurden. Von einer solidarischen Völkerfamilie spürten diese Vertriebenen jedenfalls wenig.
Neu im Buch ist auch ein Kapitel über Kriegsgefangene in Österreich, die hungerten, in Erdlöchern wohnten, in Lager gepfercht wurden, an Krankheiten laborierten, an Seuchen starben, Bauern zugeteilt oder zu Bauprojekten herangezogen wurden – sowie eine ausführliche Betrachtung der Rolle von Kaiser Franz Joseph I.
Der greise Monarch wollte von Anfang an diesen Krieg, Zögern und Bedächtigkeit gab es nicht. Die Regie sorgte dafür, dass keine friedlichen Lösungen in Betracht kamen, diplomatische Interventionen unterbunden wurden. Franz Joseph administrierte die Kriegserklärung wie andere Schreibstücke.
Andere Neuerscheinungen befassen sich mit der Vorgeschichte des Ersten Weltkrieges, vor allem dem verhängnisvollen Jahr 1914.

Der ermordete Thronfolger
In Wolfram Dorniks "Des Kaisers Falke. Wirken und Nach-Wirken von Franz Conrad von Hötzendorf" gerät der Chef des Generalstabs der k.u.k. Armee ins Visier der Aufmerksamkeit (siehe Rezension in Falter 37/2013). Der ermordete Thronfolger Franz Ferdinand bekommt gleich mehrere Biografien. In "Franz Ferdinand. Der eigensinnige Thronfolger" porträtiert der französische Historiker Jean-Paul Bled den in seinem Charakter bisweilen bizarren "verhinderten Herrscher". Wäre Franz Ferdinand wirklich der Monarch gewesen, der dem Vielvölkerreich eine zeitgemäßere Fassung hätte geben können? Bled zweifelt daran. Der Schock, den sein Tod auslöste, war jedenfalls enden wollend.
Ganz nahe an der Chronik dieser Tage erzählt Edgard Haiders "Wien 1914. Alltag am Rande des Abgrunds" von frohen Festen und sauren Tagen, von technischen Neuheiten und dem Wandel im Stadtbild, dem Großstadtübel Müllabfuhr und der Obstruktion im Parlament, vom monströsen, luxuriösen Wirbel um die Uraufführung des "Parsifal" und vom alten, kranken Kaiser in Schönbrunn, um dessen Leben man bangt. Kurzweilig, anschaulich, in übersichtlichen kurzen Feuilletons führt uns Haider durch die 2-Millionen-Metropole, bevor er einschwenkt auf Julikrise und Kriegsausbruch.
Haider beginnt sein Buch mit dem Jahreswechsel 1913/14. Wiens bessere Gesellschaft champagnisiert in den Nachtlokalen, fährt auf den Semmering zum Skilaufen, vergnügt sich in den Theatern und Kabaretts und wünscht sich mit Gedichten, Glückwunschkarten und bei den üblichen Nachbarschafts- und Verwandtschaftsbesuchen ein gutes neues Jahr. Der Brauch, dass die Pummerin läutet, hat sich damals noch nicht eingebürgert, aber dennoch ergibt sich zu Mitternacht auf dem Stephansplatz ein so gewaltiges Gedränge, dass die Polizei einschreiten muss.
Die große Sensation des Tages ist Wiens erstes Kinetophon in den Tuchlauben-Lichtspielen; diese weitere Edison-Erfindung macht es möglich, ohne Klavier und Pianisten zum Film eine Tonbegleitung zu produzieren. Die Arbeiter-Zeitung erinnert daran, dass in den Vorstädten Elend und hohe Arbeitslosigkeit grassieren und die Teuerung den Leuten zusetzt.
Die Probleme des Balkans sind weit weg. An die Möglichkeit eines großen Krieges denken wohl nur ganz wenige an diesem Jahreswechsel. Im Juli ist es dann so weit.

In dieser Rezension ebenfalls besprochen:

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