Roppongi

Requiem für einen Vater
160 Seiten, Hardcover
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ISBN 9783518419212
Erscheinungsdatum 17.09.2007
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Suhrkamp
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

»Als ich mich vor drei Jahren mit meiner Familie in Tokio aufhielt, wo wir im Stadtteil Roppongi wohnten«, schreibt Josef Winkler über sein neues Buch, »starb im Alter von 99 Jahren mein Vater, der mir ein Jahr vor seinem Tod, nachdem er erfahren hatte, daß ich in meinem letzten Prosaband einem Bauern aus meinem Heimatdorf weder Kornblumen noch Pfingstrosen gestreut hatte, in einem kurzen, aber dramatischen Telefonmonolog mitteilte, daß, wenn es soweit sei, ich nicht zu seinem Begräbnis kommen solle. Als wir von seinem Ableben erfuhren, stand ich in der österreichischen Botschaft in Tokio vor einer wandgroßen Glasscheibe. Ich schaute hinaus auf einen Teich mit orangefarbenen Wakinfischen, als ein Reiher mit weit auseinandergebreiteten Flügeln am Rande des Teiches aufsetzte. Der tote Vater hat sich also, dachte ich in diesem Augenblick der Trauer und des Glücks, in der Gestalt eines weißen Reihers noch einmal bei mir blicken lassen, bevor er unter die Erde geschaufelt wird mit seinen langen, dünnen roten Beinen, mit seinem erdig gewordenen spitzen langen Schnabel, auf der Suche nach den Würmern seines zukünftigen Grabes in Roppongi. Sein Fluch war in Erfüllung gegangen; wir reisten nicht zurück, sondern blieben in Roppongi.«

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ISBN 9783518419212
Erscheinungsdatum 17.09.2007
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FALTER-Rezension

Gestorben wird immer

Klaus Nüchtern in FALTER 41/2007 vom 12.10.2007 (S. 6)

Weltliteratur schreiben bedeutet auch Landnahme; bedeutet, einen Flecken Erde abzustecken und für sich zu reklamieren. Schon möglich, dass Josef Winkler dort nicht einmal begraben sein möchte (andererseits: Was weiß man?), aber das Bauerndorf Kamering, an dem er sich seit seinen frühen, Ende der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre erschienenen Romanen über "Das wilde Kärnten" – "Menschenkind", "Der Ackermann aus Kärnten", "Muttersprache" – abgearbeitet hat, ist jetzt seins. Und so, als ob er befürchten würde, dies könnte in Vergessenheit geraten, strapaziert er in "Roppongi" immer wieder das altbekannte und eindringliche Bild vom "kreuzförmig gebauten Dorf Kamering".
  Josef Winkler oder jedenfalls der Erzähler gleichen Namens, der sich ganz dicht an dem entlangschreibt, was wir von der Biografie des Autors zu wissen glauben, wird es nicht los, dieses Kärntner Kaff, die Scholle klebt ihm sozusagen an den Schuhen, selbst wenn er nach Indien reist, wie zuvor schon in "Domra" (1996).
  Gestorben wird da wie dort, am Ganges (oder an der Ganga, wie Winkler auch schreibt, weil der Fluss, dem die Hindus ihre Toten überantworten, mythologisch zwingend weiblich sei) und an der Drau. "Ich bin immer der erste Tote", schreibt Winkler an einer Stelle etwas rätselhaft, an der er davon erzählt, wie er einmal dem Stromtod entgangen ist, der ihn sicher ereilt hätte, wenn er zuhause gewesen wäre und nach den brüllenden Kühen gesehen hätte und sein Vater nicht ohnedies, bevor all das passiert wäre, erkannt hätte, dass der ganze Stall unter Strom stand.
  Winkler scheint jedenfalls der Erste zu sein, der vor Ort ist, wenn andere sterben, und so beginnt das Buch folgerichtig mit den Geiern. Aber sogar die sterben, ja sterben fast schon aus: "Innerhalb von zehn Jahren sind in Indien, Pakistan und Nepal Millionen von Indischen Geiern, Bengalengeiern und Schmalschnabelgeiern gestorben" – und zwar an Nierenversagen infolge einer Verseuchung mit dem Medikamente Diclofenac, das über Rinderkadaver in die Körper der Geier gelangt, die nun – stark dezimiert – ihrer Aufgabe der Aasentsorgung nicht mehr nachgehen können, die nun von den Hunden übernommen wurde, weswegen die Tollwutgefahr in Indien stark gestiegen ist.
  Solche Zusammenhänge werden von Winkler in nachgerade positivistischer Akribie ausgebreitet. Auf alle Auslegung oder metaphorische Aufladung wird verzichtet. Das wäre zuviel, aber auch so schimmert das Thema des Buches durch die Beschreibung durch: Es kommt darauf an, wie man seine Toten entsorgt. Macht man es falsch, bestehtSeuchengefahr.
  Die Parallelführung der beiden Todeskontinente Indien und Kärnten wird dann ohnedies mit einigem Aufwand betrieben, und Winkler inszeniert an den Ufern der Drau Szenen von derart finster funkelnder, caspardavidfriedrichkalter Pracht, dass es einem fast den Atem verschlägt: Als ein Sarg aus der Leichenhalle gestohlen und in die Drau geworfen wird (in Kärnten kommen solche Dinge vor), bleibt dieser stecken und vereist, sodass er am Heiligen Abend geborgen und in einer Fabrikshalle mit einem Heißluftgebläse aufgetaut, der ebenfalls tiefgefrorene Leichnam neu eingekleidet werden muss, während das vom Sarg gebrochene Kruzifix, ebenfalls eingeeist, "senkrecht im Eis stehend" geborgen wird: "Der Gekreuzigte hatte sich aufgebäumt gegen seinen Erstickungstod, stock und steif und stolz ragte er mit hocherhobenem, dornengekröntem Haupt zwischen den hellbraunen, dürr gewordenen Schilfstangen mit den dunkelbraunen Kolben aus dem vereisten, mit weißen Luftblasen gescheckten Wasserspiegel."
  Aber nicht die ganz große, beschreibungswütige Todesoper, nicht die Reisereportagen mit ihren ethnologischen Exkursen und nicht einmal die in ihrer Drastik und bernhardschen Übertreibungslust zum Teil hochkomische Abrechnung mit der eigenen Verwandtschaft (mit Josef Winkler möchte man echt nicht verschwägert sein) machen den Höhepunkt dieses großen kleinen Buches aus, sondern das im Untertitel ausgewiesene "Requiem für einen Vater".
  Fast hundertjährig macht sich der alte Patriarch, gegen den der Winkler-Sepp ein Leben lang angeschrieben und aufbegehrt hat, vom Acker, und der Sohn, dem der Vater sogar die Anwesenheit am Grab untersagt hat ("Wenn ich einmal nicht mehr bin, dann möchte ich nicht, dass du zu meinem Begräbnis kommst!") und der dann, als es soweit ist, tatsächlich im fernen Japan, im Tokioter Stadtteil Roppongi, im Hotel sitzt und nicht heimreist, findet dafür ganz leise, zärtliche, ja nachgerade versöhnliche Töne, ohne je ins Sentimentale abzugleiten. Auf einmal wird dieser sture Hund und sein Leben lang schwer arbeitende Bauer in der Erinnerung seines Sohnes zu einer selbst unter dem Joch des Patriarchats ächzenden Kreatur, die es nicht besser wissen konnte und dem Sohn wohl nicht nur Böses gewollt hat: "Mach's gut Vater ... o.k. ... ich wünsche dir eine gute Reise ... o.k.!

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Über den Autor

Josef Winkler, geboren 1953 in Kamering, Kärnten, wuchs als Sohn bäuerlicher Eltern auf.Von 1973 bis 1982 arbeitete er als Schreibkraft in der Verwaltung der Klagenfurter Hochschule für Bildungswissenschaften und gründete zusammen mit Alois Brandstetter den "Literarischen Arbeitskreis". Winkler war auch Herausgeber der Literaturzeitschrift "Schreibarbeiten". Seitdem verfolgt er ausschließlich die Tätigkeit als freier Schriftsteller. Sein Erstling war die Romantrilogie "Das wilde Kärnten" ("Menschenkind", "Der Ackermann aus Kärnten" und "Muttersprache"). Zu weiteren bekannten Werken zählen "Menschenkind", die "Kalkutta"-Trilogie, "Wenn es soweit ist" und "Abschied von Vater und Mutter". Zuletzt veröffentlichte der Autor "Begib dich auf die Reise oder Drahtzieher der Sonnenstrahlen". Winkler wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem erhielt er das spanische Premio Lateral, den Großen Österreichischen Staatspreis und den Georg-Büchner-Preis. Seit 2012 ist er außerdem der Präsident des Österreichischen Kunstsenats. Josef Winkler lebt und arbeitet in Klagenfurt.

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