

Hommage in Lichtblitzen
Bodo Hell in FALTER 51/2014 vom 19.12.2014 (S. 28)
Wie mich Friederike Mayröcker ins Gasthaus Ubl einlud und sich Kluppen statt Blumen wünschte
WILLKOMMMEN ZUM LEVER, hieß es damals, in Handschrift/Filzstift von Dir auf ein Stück Karton geschrieben, also zum Morgenempfang der Fürstin, mit einem rasch hingemalten Zeigefinger, und dieses provisorische Schild hing eines Dezembervormittags an der scherenvergitterten Tür in der Wiener Zentagasse, wo sich schon eine Handvoll Freundinnen versammelt hatte, um Dir trotz vorheriger Abmahnung Päckchen zu überreichen.
Drinnen dann die KunststoffKörbe mit den geklammerten Notizzetteln und Briefen sowie am Fenster das Schild hier ALLES TABU, in späteren Jahren erging dann eine Hermes-Baby-getippte Einladung für 18 Uhr 30 ins Gasthaus UBL mit der Nachschrift: bitte keine Geschenke, höchstens Büroklammern und Wäscheklammern, Kluppen genannt, bitte keine Blumen, habe in meinem Gehäuse keinen Platz mehr.
Dann wurde der hintere Bereich des Café Tirolerhof und später das Seitenzimmer des Café Standard zum Kommen und Gehen der Verehrer samt ihren Donationen und Libationen reserviert, und sogleich sieht man eine weitere Gratulierende oder noch einen Begeisterten aufs Podium springen und Dir einen folienraschelnden Blumenstrauß überreichen, obwohl Du im letzten Gedicht Deiner umjubelten Lesung (mit nicht enden wollendem Applaus, alle erheben sich von den Sitzen) Deine Canaillenstimmung beschworen hast.
freue mich nicht über Blumensträuße wenn mich jemand aufsucht, solche Zeichen haben für mich jeglichen Sinn verloren, sind mir leere anspruchsvolle Gesten geworden. Weiß ja nicht wo und wie ich mich befinde, nur, daß das alte PIANO PONY mein Komet ist und mit mir weint.
Also auf welche Weise sich der raumgreifenden Konventionalität, der Verletzung durch die Welt und der Kette vergeblicher Alltagsbemühungen erwehren/entziehen: eben durch Schreiben, nur durch die tägliche SchreibArbeit und -Seligkeit, bereits vor dem Morgengrauen, das ist Deine inständige Antwort, ob sie verstanden und aufgefasst wird oder nicht, sie schreibt sich jung: hat jemand unlängst von Dir gesagt, mittags dann durch den Hunde- und Sandlerpark zum Rudi in die RestaurantNische, in halbem incognito.
Und jetzt längst nach dem Umbau Bernhard Altmanns nicht mehr die abschüssige Plakatwand des PAMPAM entlang, während a whiter shade of pale aus dem Äther ertönt.
daß dein Gesicht, eben noch nachtbleich gesehen, jetzt strahlend erscheint
Und Deinen bedächtigen Schritt begleitet, Deine ehemaligen Schüler bewundern Dich immer noch ob der weiland hochmodischen Erscheinung, während Du mit der Entradikalisierung Deines Schuhwerks die Radikalisierung Deiner Schreibweise vorangetrieben hast und diese von Buch zu Buch Jahr um Jahr weitertreibst, immer noch gibt es BassErstaunte (so sie Dich schon Jahrzehnte nicht vorlesen gehört haben), die jetzt Deine Freiheit und Deutlichkeit im Umgang mit den irritierendsten Wendungen bewundern.
Ja Du läßt das scheinbar disparateste Material zu, welches sich Dir aus Alltag und Lektüre aufdrängt, und sakralisierst sogar die Fäkalsphäre.
Du nimmst in Deinem Schreibverlauf keine Rücksicht auf Resonabilität und Eingängigkeit Deiner Sprachfindungen und rührst dennoch bisweilen auch die verstocktesten Gemüter an, so sie sich nur auf ein Aitzerl Deines PoesieAngebots einlassen, meist bereits in den Titeln: Wäsche, selig gemacht, Augenfalle (trompe-l'oeil), was willst du, daß ich dir tun soll'.
Ezzes-Geber scheinst Du genug zu haben, und in einem System namentlicher Nennungen, Verschlüsselungen, Initialisierungen, gar in einem Füllhorn voller Widmungen gibst Du Deine Gewährsleute preis und versteckst sie zugleich hinter deren eigenen Namen, alle genannten ZuLieferanten am Leben – Beyer, Cotten, Erb, Hummelt, Ujvary, Waber, Waterhouse undundund
– könnte man fragen und alle würden sich wohl frisiert zitiert wiederfinden oder gar nicht gemeint.
Hinter ES könnte auch EvS stecken mit HH wäre weniger Helmut Heißenbüttel selig denn eher Ernst Jandls ehemaliger Nachbar Hans Haider genannt, aus MS könnte Moser Samuel, aber auch sein Landsmann Martin Schweizer oder ganz wer anderer hervorsprechen, der Fels in der Brandung der Textwellen und -welten, die Du durchpflügst, aber bleibt unbestritten JD (Jacques Derrida), schon anno dazumal mit seinen 2 Bänden DIE POSTKARTE von Sokrates bis an Freud und jenseits (aufzuschneiden 1980 und 87).
Und jüngst um so öfter mit dem philosophisch-literarischen SteinbruchBuch: GLAS die Totenglocke (2006) mit seiner Doppelspur Hegel/Genet, schade: da hat vor Zeiten ein Text mit einem Satz von Mia Williams begonnen: ich aß ein Herz und fuhr nach Venedig, und wir können ihn partout nicht mehr finden, wir fressen einander aus der Hand: heißt es in einer Sendung über Dich und über die nächste sowie übernächste SchriftstellerInnenGeneration.
Das Genuine der Urproduktion zieht also mächtig an, nicht nur die Transformer und ÜbersetzerInnen, auch alle Arten von Burgknappen und KammerZofen, Wasser- und SchleppenträgerInnen, bild. Künstler und KomponistInnen, Tänzerinnen, SchauspielerInnen und Sprecher ziehst Du an.
Ach ja in puncto Einfühlung': da hört man am besten diesem fulminanten Ulrich Wildgruber posthum zu, wie er durch das zu Sehende/das zu Hörende rattert, als spräche eine Textmaschine aus ihm, wobei er sie selbst bisweilen anhält, so als müßte er zurückhorchen, was sein StimmAutomat gerade von sich gegeben hat, DIE ZUKUNFT hast Du mir einmal mit Deiner bevorzugten Schreibmaschine in Versalien auf ein postkartengroßes Blatt geschrieben und den damals noch erhältlichen Postaufkleber in Rot EILT SEHR schräg aufwärts danebengeklebt, eben!