

Klaus Nüchtern in FALTER 40/2016 vom 05.10.2016 (S. 32)
1936 hielt Stefan Zweig in Rio de Janeiro eine Rede über „Die geistige Einheit Europas“. Mit knapp 30 Seiten ist sie der mit Abstand umfänglichste der hier versammelten Texte und mutet in ihrer Intention, „zur moralischen Einheit der Welt“ beizutragen, so aktuell wie anachronistisch an.
Vom Turmbau zu Babel, dem Zweig unter Absehen vorsätzlicher göttlicher Intervention den schönen Legendensinn unterlegt, „dass aller Streit auf Erden immer aus einem Nichtverstehen stammt“, über die einheitsstiftenden Verdienste des römischen Imperiums und die von Luther und Calvin verschuldete Spaltung des Christentums kommt er auf die Ernüchterungen zu sprechen, wie sie sich in einem Weltkrieg manifestierten, der den europäischen Hochmut erschütterte und damals noch nicht „der Erste“ hieß. Die Lehre aus diesem: „trotz aller Bewunderung nicht zuviel von der Technik für den moralischen Fortschritt der Menschheit zu erhoffen“. Ja, eh.