da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete

201 Seiten, Hardcover
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Reihe Bibliothek Suhrkamp
ISBN 9783518225158
Erscheinungsdatum 20.07.2020
Genre Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Verlag Suhrkamp
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HerstellerangabenAnzeigen
Suhrkamp Verlag GmbH
Torstr. 44 | DE-10119 Berlin
info@suhrkamp.de
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Kurzbeschreibung des Verlags

»Verehrte Lauscher und Lauscherinnen versuchen Sie nicht das Geheimnis dieses Textes zu lüften«, verfügt Friederike Mayröcker in ihrem neuen Prosawerk – aber schon sein Titel legt eine unfehlbare Spur. da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete lässt keine Zweifel an dem, was immer noch Tag für Tag zu tun ist: hellwach und neugierig auf die Welt blicken und ihr eine Kunst abgewinnen, die Wörter in Sternschnuppen verwandelt und die Sprache selbst als einen schier unerschöpflichen poetischen Zauberkasten begreift: »meine Texte entstehen durch sich fortpflanzende Augen«, so eines der Geheimnisse, das die Wiener Dichterin ihren Leserinnen und Lesern doch noch preisgibt.
Mag die »Leibhaftigkeit« im hochbetagten Alter auch mühselig geworden sein, mögen die Listen an Wörtern, die mit den Jahren abhandengekommen sind, auch länger werden, wie die Poetin selbst beklagt – »in meinen Träumen bin ich jung, in meinen Träumen bin ich high«, versichert Friederike Mayröcker, und dieses Credo gilt umso mehr für ihre unvergleichliche, grenzenlose und ganz und gar unausdeutbare Dichtung.

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ISBN 9783518225158
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FALTER-Rezension

Muffinwoman vs. Winterwicht

Daniela Strigl in FALTER 43/2020 vom 23.10.2020 (S. 16)

Sie hat es wieder getan. Mit 95 Jahren legt Friederike Mayröcker ihr – je nach Zählweise – 123., 124. oder auch 125. Buch vor. Es ist ein aufregendes, anstrengendes, bald feurig dahinstürmendes, bald sich glosend verzehrendes Stück Literatur. Leicht hat Mayröcker es dem verständnis­heischenden Leser ja nie gemacht, diesmal wirkt bereits der Titel wie eine bewusst platzierte Hürde: „da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete“.

Der Punkt trennt, was syntaktisch zusammengehört, außerdem ist „morgens“ ein Adverb und „moosgrün“ ein Adjektiv – soll sich etwa beides aufs lyrische Ich beziehen? Sollen wir uns das bemoost vorstellen oder hoffnungsfroh knospend? Ist es womöglich der Morgen, dem die moosgrüne Färbung zukommt? Solche Fragen bleiben naturgemäß ohne Antwort, und nicht jeder vermag sie als Bereicherung des Lektüreerlebnisses zu empfinden. In jedem Fall ist das Fenster der angestammte Platz des Dichters wie der Dichterin, ihr Blick nimmt es mit der Welt auf und mit dem Augenblick, der sich im „da“ ereignet.

Erzählt im üblichen Sinne hat Mayröcker nie, aber jetzt hat sie auch die Trennung zwischen Gedicht und Prosa aufgegeben. Dem Band fehlt jede Gattungsbezeichnung, er enthält Notate von einer oder einigen wenigen Seiten, jeweils mit einem Beistrich endend und datiert, vom 22.9.17 bis zum 3.11.19. Der unvermittelte Beginn führt uns in einen Krankenhausgarten, in dem das Ich die Schwalben als „Geschwister“ erlebt. Erschüttert scheint die Zuversicht der Dichterin, die stets beteuert hat, sie wolle 100 werden: „Debütantin des Todes, steinig mein letzter Weg wohin sind Mutter und Vater und Freund usw.“ Sie verbucht „die Lotterie meines Überlebens, schon nähert sich WICHT VON WINTER“.

Doch ist dies viel mehr als die fragmentierte Chronik eines geriatrisch grundierten Alltags, immer wieder wird das Lamento durchglüht von Erinnerungspartikeln, die es verwandeln in Andacht und Lobpreis. Und was scheint wie ein ultimatives Loslassen, eine letzte Lockerung des Denkens und Schreibens, erweist sich als gebändigte Freiheit: Das Treibgut im Text ist an seinem Platz, die Ekstase konzentriert, das Ganze hat Rhythmus und Struktur durch sich wiederholende Szenen, Schlüsselbilder, Motive.

Die „zärtliche Leine“ um die Brust der Schwalben etwa kehrt wieder als „zarte Leine“ um die Brust des Mannes, mit dem das Ich einst in einer Wiese schlief, „an jenem Tage als ein Mann den Mond betrat“. Bald taucht es auf, das Moos aus dem Titel, „das Moos mit bloszen Füszen“ („Wie wir füszelten, damals!“), und auch im erotischen Kontext ist Mayröcker nie um ein verblüffendes Bild verlegen: „ja ich bin vielleicht ein muffin und lasse mich verzehren (v. deinem Aug)“.

Gleichsam versteckt im Wirrwarr der Prosaexzentrik finden sich Sätze, in denen die Autorin glasklar ihr Programm formuliert oder auch, hochtrabend gesagt, ihre Mission: „umbuscht v. Wiszbegierde und Intuition kann ich nicht aufhören die Welt der Liebe abzubilden“.

Deshalb ist dieser Text auch ein flächendeckendes, allumfassendes Liebesgedicht, das sich nicht allein an den vor 20 Jahren verstorbenen Dichtergenossen Ernst Jandl richtet und nicht bloß an manch anderen verflossenen Liebhaber, sondern an das Leben. Und da zeigt sich Mayröcker nach wie vor unersättlich: „ich möchte immerzu immerfort immerdar. Blättern in meinen Leben’s Blättern, Unschlitt des Schmerzes immense Backe und Träne, in der Sprache meiner Verwilderung usw.“

Dass es immer weitergeht mit der Buchführung des Lebens, dank „Wiszbegierde und Intuition“, das ist die Fiktion, die dieses Schreiben mit Energie versorgt. Hie und da scheint der Vorrat aufgebraucht: „möchte krepieren. Tiefschwarz.“ Das steht isoliert da, gar mit dem sonst verpönten Schlusspunkt. Aber danach ist eben nicht Schluss.

Wer sich an einem Vokabel wie „abermals“ oder „Waldessaum“ („was für ein paradiesisches Wort!“) zu ergötzen vermag, der bleibt nicht traurig.

Mayröckers Feinschmeckerei wie ihr Heißhunger gilt nicht nur dem Schreiben, sondern auch dem Lesen und dem Schauen; einmal mehr verknüpft sie das „Schlepptau des neuen Buches“ mit Texten ihres persönlichen Kanons, von Brecht bis Derrida, sie zitiert Freunde und Bekannte (wiederum nur für Freunde und Bekannte erkennbar) und verbeugt sich artig vor Künstlern wie Arnulf Rainer und Martha Jungwirth, Fernando Botero und dem Dada-Fotografen Man Ray, mit dem sie sich im Geiste unterhält: „Sie fragen mich wie es mir gehe ich sage ‚mein Innerstes ist wie früher nur meine Leibhaftigkeit ist mühselig geworden‘ : wieso selig frage ich mich.“

Doch weil das Innerste dieses Schreibens wie früher ist, vermag es wie je zu bezaubern, in allen seinen Gedankensprüngen, Bildbrüchen, irrwitzigen Pirouetten, vor denen die Autorin selbst gleichsam staunend steht: „solch bengalischer Wald, solch Spracharbeit WILD und KONKRET“ und „wow! blaszgrünes Wölkchen! Wow!“ Man meint ein Lächeln herauszuhören, auch beim trockenen Selbstkommentar: „Temperaturwechsel meiner Sprache wenn ich sie anglifiziere“.

Die Frage, wie Mayröckers verschwenderische Praxis der poetischen Empfindung auf den Affekthaushalt ihrer Leserinnen und Leser wirkt, wie genau sie diese Dichte und Intensität erzeugt, ist keine für Fans. Die haben dem ewig stichelnden Sinnbegehren abgeschworen und lesen Mayröcker als ein Brevier der Schönheit. Wie es die Dichterin verlangt: „verehrte Lauscher und Lauscherinnen versuchen Sie nicht das Geheimnis dieses Textes zu lüften“.

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Über die Autorin

Friederike Mayröcker, geboren 1924 in Wien, absolvierte eine Lehramtsprüfung in Englisch und war anschließend als Englischlehrerin an verschiedenen Knaben- und Mädchenhauptschulen in Wien tätig. 1969 verließ sie ihren Lehrberuf, um sich vollständig der Schriftstellerei zu widmen. Bereits 1939 verfasste Mayröcker literarische Schriften, die ersten Publikationen erschienen erst nach 1945. Ihr erstes eigenständiges Werk wurde 1956 unter dem Titel "Larifari" veröffentlicht. Der innigen Lebens- und Schaffenspartnerschaft mit dem Autor Ernst Jandl entsprang das mit dem Hörspielpreis der Kriegsblinden ausgezeichnete Hörspiel "Fünf Mann Menschen". Die beiden Bücher "Requiem für Ernst Jandl" und "Und ich schüttel einen Liebling" widmet sie diesem nach seinem Tod. Zu Friederike Mayröckers mehrfach gekürten Werken zählt unter anderem die Lyrik "Gute Nacht, guten Morgen", "Winterglück", "Notizen auf einem Kamel" sowie die Prosabände "Die Abschiede", "Stilleben" oder "brütt oder Die seufzenden Gärten". Mayröcks Schriften umfasst auch Erzählungen, Kinderbücher und Bühnentexte.

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